Der Morgen begann scharf und klar bei 14 Grad Celsius – die kälteste Temperatur des Jahres bis dahin. Die frische Luft schnitt durch die Stille, während ich auf dem Balkon stand und meine Monstera-Pflanze goss. Der Sonnenaufgang schimmerte orange durch die Wolken und verwandelte deren Ränder in goldene Konturen. Der Himmel über Miami enttäuscht nie – er ist täglich ein Bühnenstück, das die Aufmerksamkeit auf sich zieht.

Am Nachmittag erwachte die Stadt in ihrem gewohnten Rhythmus: Staus reihten sich aneinander, und die Hektik des Alltags drängte sich auf. Als ich die MacArthur Causeway überquerte und auf die Alton Road abbog, traf ich an einer roten Ampel auf Lori von der Cultured-Zeitschrift. Ich ließ das Fenster herunter und rief: „Lori!“ Überrascht drehte sie sich um und lächelte. Wir hatten uns vor einiger Zeit getroffen, als ich ein Porträt von ihr in meinem Studio fotografierte. Die Ampel sprang auf Grün, doch niemand hupte oder drängte in diesem flüchtigen Moment der Verbundenheit.

Fotografische Werke auf der Untitled Art Fair

In diesem Jahr fühlten sich die fotografischen Werke auf der Untitled Art Fair ruhiger, aber dennoch kraftvoll an. Durch verschiedene Perspektiven ergab sich eine Sammlung einzigartiger Stimmen mit ganz eigenen Nuancen. Besonders die Darstellung von Händen rückte bei einigen Künstlern in den Mittelpunkt.

Shirin Neshat – „Offerings“ (2019)

Im Rahmen des LeRoy Neiman Center for Print Studies der Columbia University präsentierte Shirin Neshat ihre Serie „Offerings“. Die Fotografien zeigen Hände in Gebetshaltungen, die aus verschiedenen religiösen Traditionen stammen, einschließlich des Islam. Auf den Bildern sind Gedichte von Omar Khayyam, dem großen persischen Dichter und Mystiker des 11. Jahrhunderts, eingraviert.

Shirin Neshat, geboren 1957 in Qazvin, Iran, kam 1974 in die USA, um ihre Ausbildung abzuschließen. Sie erhielt 1983 einen Bachelor-Abschluss an der University of California, Berkeley. Viel ihres Erwachsenenlebens verbrachte sie im Exil und kehrte erst 1993 erstmals in den Iran zurück. Ihre Fotografien, Videos und Filme wurden weltweit in renommierten Museen und Galerien ausgestellt, darunter das Whitney Museum of American Art in New York und das Kunsthaus Wien. Für ihr Werk erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen, darunter 1999 den Ersten Internationalen Preis der Biennale von Venedig und 2002 den Infinity Award des International Center of Photography in New York.

Vera Chaves Barcellos – „Mãos na Praia (Castelldefels)“ (1986)

Die brasilianische Künstlerin Vera Chaves Barcellos nutzt vorgefundene Bilder aus Medien, um Werke in den Bereichen Video, Fotografie, Druckgrafik und Installation zu schaffen. Ihr zentrales Thema ist die Beziehung zwischen Körper und Zeit. Ihre Arbeit „Mãos na Praia (Castelldefels)“ zeigt Hände verschiedener Geschlechter, geschmückt mit Ringen und Nagellack, die Zeitungen halten oder auf dem Boden ruhen. Diese Bilder dokumentieren flüchtige Momente und menschliche Spuren.

Xyza Cruz Bacani – „We Are Like Air“ (2013-2017)

Xyza Cruz Bacani widmete ihre Serie „We Are Like Air“ der Darstellung von Migrantenarbeitern. Sie erzählt die Geschichten dieser Menschen aus einer selbstbestimmten Perspektive, jenseits der oft stereotypen Darstellung. Die Serie beleuchtet das Leben von Millionen Müttern, Töchtern und Familien, die durch Migration getrennt sind.

Bacani, 1987 auf den Philippinen geboren, arbeitete selbst als Haushaltskraft in Hongkong, bevor sie eine preisgekrönte Künstlerin und Autorin wurde. Ihre Werke thematisieren Migration, transnationale Identität und die Unsichtbarkeit sozialer Schichten.

Diese fotografischen Serien erinnerten mich an mein eigenes Projekt „Substructure“ (2010), in dem ich die Geschichten interner Migranten und die von Arbeit gezeichneten Gesten ihrer Hände festhielt. Es war eine Hommage an all jene, die ihre Heimat verließen, um in den pulsierenden Städten Chinas nach einem besseren Leben zu suchen. Ihre harte Arbeit trug zur Lebendigkeit ihrer Gemeinschaften bei und bewahrt eine stille, aber kraftvolle Schönheit.